Naturnaher Garten

Der NABU bietet auf seinen Seiten zahllose Tipps zum Thema „Ökologische Gartenarbeit“, „Insektenvielfalt im eigenen Garten“, „Torffrei gärtnern“ und vielem mehr.

 

Schauen Sie doch mal rein:


Artenvielfalt im eigenen Garten fördern


Manuskript zum Vortrag von Thomas Brühl und Thomas Bott am 13. April 2024 bei HOPP Garten GmbH (Text: Thomas Brühl)

 

Was ist wirklich insektenfreundlich?

(Nach Reinhard Witt, dem Gründer des Naturgartenvereins)

 

Welche Pflanzen sind wirklich insektenfreundlich?

In Zeitschriften, Büchern und Gartencentern wird das Wort insektenfreundlich sehr, sehr häufig verwandt. Ein großer Gartencenter nennt alle 611 Pflanzenarten, die er anbietet, insektenfreundlich.

Zunächst einmal geht man vielleicht davon aus, dass eine Pflanze, bei der Insekten die Blüten besuchen, insektenfreundlich genannt werden kann. Nun ist es aber so, dass Insekten sich ja nicht nur ernähren müssen, sondern auch fortpflanzen wollen – und dazu braucht es mehr als die Blüten, die sie besuchen können.

 

Was braucht es? Es braucht Pflanzen, von denen die Raupen der Insekten etwas fressen können. Und was fressen diese Raupen? Sie fressen Blüten, Früchte, Blätter, Samen, Rinde, Holz, Mark, Wurzeln, Saft, Triebe usw. – also alle Teile einer Pflanze können als Nahrung für die Raupen dienen.

Die Pflanzen wollen aber nicht gefressen werden, also entwickeln sie Gifte oder Bitterstoffe, die die Raupen hindern sollen, ihre Pflanzenteile zu fressen. Nun gibt es – aber vereinfacht gesagt – für jede heimische Pflanze ein paar Insektenarten, manchmal sogar nur eine Insektenart, die im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende sich so entwickelt haben, dass sie unempfindlich werden gegen das spezielle Gift dieser Pflanzenart. Diese Raupen sind dann in der Lage, die sogenannte Beißschranke dieser speziellen Pflanzenart zu überwinden. Manche Insekten lagern dann sogar das Gift ein – gegen das sie selbst nun unempfindlich sind – und werden damit giftig z.B. für Vögel, die deshalb dieses Insekt meiden.

Ein Beispiel: die Kohlweißlingsraupe frisst vorwiegend an Pflanzen, die Senföle zur Abwehr enthalten, sie lagert diese Senföle ein, und damit wird sowohl die Raupe als auch der Schmetterling für die meisten Vögel ungenießbar.

Dieser gerade beschriebene Prozess wird Spezialisierung genannt.

90 % der heimischen Insekten sind Spezialisten, d.h. sie brauchen zur Fortpflanzung zwingend eine oder einige wenige heimische Pflanzenarten. Wenn diese heimischen Pflanzenarten nicht vorhanden sind, nützen ihnen noch so viele Blüten nichts, die sie anfliegen können. Sie können sich ernähren, aber es wird keine Kinderstube geben. Es gibt sogar Falter, die in ihrer kurzen Lebensspanne überhaupt nicht fressen, die noch genug Nährstoffe eingelagert haben und nur noch für die Fortpflanzung leben.

Man hat ausgerechnet, dass mit einer heimischen Pflanzenart, die verschwindet, zehn Tierarten verschwinden, die auf diese Pflanzenart oder die dort fressenden Insekten angewiesen sind.

 

Bei all dem kommt es nicht nur darauf an, dass z.B. die Blätter einer Pflanze von der Raupe gefressen werden können, sondern auch, wieviele Blätter zur Verfügung stehen, also wieviel Biomasse (wie man das nennt) insgesamt genutzt werden kann. Aus der Biomasse der Blätter wird die Biomasse der Raupen, diese Raupe nimmt zu und kann sich weiterentwickeln.

Die Pflanzen ersetzen die gefressene Blattmasse schnell. Selbst ein Kahlfraß z.B. der Traubenkirschen-Gespinstmotte an der Gewöhnlichen Traubenkirsche (die ich gestern habe blühen sehen), bringt diesen Baum nicht um, dieser treibt schon bald wieder neu aus und blüht. Denn gegen weitere Insektenarten wirkt ja seine Beißschranke weiterhin. Und die Raupenzeit der Traubenkirschen-Gespinstmotte ist dann vorbei.

Was heimisch bedeutet, darauf werde ich später noch genauer eingehen.

 

Nichtheimische Arten schaffen nun verschiedene Probleme für die Insektenwelt, von der ja im weiteren auch die Vögel, Amphibien, Reptilien, Kleinsäugetiere usw. abhängig sind. Im übrigen auch wir Menschen, da viele Pflanzen, die uns als Nahrung dienen, auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen sind.

Welche Probleme schaffen die nichtheimischen Arten:

Ihre Blüten sind für viele Insekten nicht nutzbar, da die Insekten beispielsweise nicht die passenden Mundwerkzeuge haben, um an den Nektar der nicht heimischen Pflanzen zu kommen.

Die verschiedenen Pflanzenteile sind für die Raupen nicht nutzbar, da auch die nichtheimischen Pflanzen Gifte beinhalten, um sich zu schützen, aber heimische Insekten nicht in der Lage sind die Beißschranke der nichtheimischen Arten zu überwinden. Oder die Blätter sind zu hart für heimische Insekten, wie z.B. beim Kirschlorbeer. Oder es ist der falsche Geschmack, die falsche Chemie, die falsche Jahreszeit usw.

Dadurch kann darüber hinaus die übermäßige Ausbreitung der nichtheimischen Pflanzen von den Insekten, nicht gebremst werden – denn diese Pflanzen haben keine Fressfeinde. Und damit können sie leicht die heimischen Pflanzen verdrängen. Dies wiederum heißt: wo eine nichtheimische Pflanze steht, steht keine heimische Pflanze, die den Insekten wirklich dienen könnte.

Nichtheimische Pflanzen können also invasiv werden (also sich übermäßig ausbreiten und heimische Pflanzen verdrängen), heimische Pflanzen können nicht invasiv werden, denn wenn sie sich sehr ausbreiten, werden auch die entsprechend spezialisierten Insekten zunehmen, die sich davon ernähren. So wird ein natürliches, dynamisches Gleichgewicht gehalten. 

 

Nochmal, 90 % der Insekten sind Spezialisten, sie sind auf einige wenige Pflanzen zur Fortpflanzung festgelegt, 10 % der Insekten sind sogenannte Generalisten, die hier kaum festgelegt sind, z.B. Wanzen, Heuschrecken, Eulenfalter.

Dabei kann ein Insekt als Blütenbesucher Generalist sein, als Raupe aber Spezialist.

Dies wiederum bedeutet: mit nichtheimischen Pflanzen erreichen wir, was die Fortpflanzung betrifft, maximal 10 % der Insekten, mit heimischen Pflanzen erreichen wir 100 % der Insekten.

Dies wiederum heißt, mit nichtheimischen Pflanzen fördern wir das Artensterben. Und: jede heimische Pflanze ist zu 100 % wirklich insektenfreundlich.

 

Was heißt nun heimisch?

Ganz knapp gesagt war die Pflanze, die wir heimisch nennen, vor 1492, also bevor die Seefahrer neue Pflanzen nach Europa brachten, in Mitteleuropa zu finden.

Dabei unterscheidet man noch zwischen altheimischen, indigenen Arten, die schon vor der letzten Eiszeit bei uns heimisch waren, und neuheimischen, archäophytischen Pflanzen, die sich – häufig mit menschlichem Zutun – in der Zeit zwischen der letzten Eiszeit und der Zeit der Seefahrer in Mitteleuropa angesiedelt haben.

Wenn wir nun noch regionaler werden, schauen wir uns an, welche Pflanzen gebietsheimisch sind, wie man das nennt. Also welche Pflanzen mit der entsprechenden genetischen Ausstattung hier bei uns heimisch sind. Die gleiche Pflanzenart kann es z.B. auch im Norden Deutschlands geben, allerdings hat diese eine andere genetische Ausstattung und sie wächst, blüht und reift dann zu einer anderen Zeit. Wenn wir sie bei uns hier säen oder setzen passt sie dann zeitlich vielleicht nicht mehr zu den Bedürfnissen des bei uns lebenden darauf spezialisierten Insekts.

Man kann also sagen, das optimale Angebot für unsere hier heimischen Insekten sind die gebietsheimischen Pflanzen. Aber auch in Deutschland oder Mitteleuropa heimische Pflanzen sind ein gutes Angebot für Nahrung und Entwicklung der Insekten.

Im Naturgartenbereich wird empfohlen, dass zwei Drittel der Pflanzen im Garten gebietsheimisch oder heimisch sein sollten.

Gemieden werden sollten alle Pflanzen, die sich leicht ausbreiten und heimische Arten verdrängen, wie beispielsweise der schon erwähnte Kirschlorbeer, wo z.B. Amseln die Früchte fressen und über ihren Kot die Ausbreitung etwa in Wäldern fördern.

Daneben gibt es auch noch das Risiko der sogenannten Florenverfälschung, wenn beispielsweise Pflanzen, die es bei uns, aber auch in Tunesien gibt, diese tunesischen Pflanzen bei uns eingeführt werden, z.B. da sie dort billiger produziert werden können. Dann kann sich ggf. diese Pflanze mit der genetischen Ausstattung aus Tunesien bei uns durchsetzen – passt dann aber nicht für die heimische Tierwelt.

 

Und warum ist es nun so besonders bedeutungsvoll, dass wir in unseren Gärten auf heimische Pflanzen achten?

Orte, an denen sich die Natur vom Menschen unbeeinflusst entwickeln kann, gibt es immer weniger bzw. kaum noch. In der Intensivlandwirtschaft ist nahezu kein Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Untersuchungen haben gezeigt, dass in Städten wie München mittlerweile die Artenvielfalt höher ist als in der die Stadt umgebenden Landschaft.

Sehr viele heimische Tier- und Pflanzenarten sind in ihrem Bestand bedroht. In unseren Gärten können wir diesen eine Heimat geben. D.h. Gärten können zu Überlebensinseln werden für heimische Pflanzen und Tiere und je mehr solche Inseln es gibt, desto besser können diese miteinander vernetzt sein.

Außerdem können wir Freude daran erleben, zu entdecken, was sich in unseren Gärten so alles tut.

Schließlich ist auch wichtig zu bedenken, dass wir als Menschen um leben zu können auf dieses funktionierende Netz der Natur angewiesen sind, ja selbst ein Teil davon sind. Wir brauchen gesunde Böden, sauberes Wasser, saubere Luft, Nahrung  …  aber das wäre ein weiteres Thema.

 

Wir haben Ihnen verschiedene Bücher und Broschüren zur Ansicht oder auch Broschüren zum Mitnehmen mitgebracht.

Besonders hinweisen möchte ich Sie auf die Internetseite des Naturgartenvereins, sowie auf die von dort angebotene kostenlose App naturadb, über die sich jede Pflanzenart u. a. daraufhin überprüfen lässt, ob sie heimisch ist und für wie viele Tierarten sie von Nutzen ist.

Außerdem gibt es vom NABU die Broschüre NABU-Umfeldberatung: Flächen ökologisch gestalten, wo verschiedenste Maßnahmen für die Praxis wunderbar erläutert werden.

Ich habe hier eine Liste mit solchen empfehlenswerten Quellen, wo man sich u.a. über heimische, wirklich insektenfreundliche Pflanzen informieren kann.

Hier finden Sie auch den Zugang zu bio-og, einem Programm der Stadt Offenburg, wo es eine Liste über heimische Pflanzen gibt und wo unter anderem die Entsiegelung von Flächen gefördert wird.

Ich werde diese Liste auslegen, so dass Sie diese gerne fotografieren können.

 

Ein paar hilfreiche Links:

 

Der Naturgarten e.V. setzt sich für eine nachhaltige Gestaltung naturnaher Gärten und Grünflächen ein, die biologische Vielfalt fördern.

https://naturgarten.org

 

Balkonbegrünung mit heimischen Pflanzen

https://wildermeter.de/

 

Gartentipps mit heimischen Pflanzen und Lebensräume für Tiere

 

Stadt Offenburg – bio.og: Naturnahes grün inder Stadt

 

Kostenlose App naturadb als als Informationsquelle für heimische und wirklich insektenfreundliche Pflanzen